Licht im Dunkel des Fachkräftemangels
In der Marktredwitzer Mittelschule herrscht reges Treiben. Junge Leute füllen Maultaschen, formen Drahtsterne und falten Hemden. Grund dafür ist die Ausbildungsmesse „Job Spot“. Firmen und Schüler lernen sich kennen – mit Ausblick auf eine gemeinsame Zukunft.
Kindergarten, Schule, Berufsleben - der typische Werdegang, oft mit Lücken oder Zwischenschritten. Vor allem der letzte Schritt ist bedeutsam. Nicht zuletzt, weil die Arbeit ein steter Begleiter ist - bis ins hohe Lebensalter. Die Schule stellt hierfür die Weichen. Sie kann dabei unterstützen, Stolpersteine und Fehltritte zu reduzieren.
Die Marktredwitzer Alexander-von-Humboldt-Mittelschule gibt sich alle Mühe, Schülern den Weg in das Berufsleben zu erleichtern: Adieu, Perspektivlosigkeit und hallo, Berufsorientierung! Das nimmt die Schule zu Recht für sich in Anspruch. "Wir machen viel über normale Berufsmaßnahmen hinaus", erklärt Schulleiter Andreas Wuttke.
Ihre Stärke in diesem Bereich hat die Schule nun bei der Ausbildungsmesse "Job Spot" für Acht- bis Zehntklässler unter Beweis gestellt. Regionale Unternehmen besuchten die Marktredwitzer Schule. Schüler und Unternehmen lernten sich kennen - erste Kontakte wurden geknüpft. Wer zum "Job Spot" einen Fuß in die Mittelschule setzte, der staunte nicht schlecht, was sich heimische Unternehmen überlegt hatten.
Ein Highlight dieses Jahr - und neu auf dem Programm - war der Besuch der Köche Matthias Kastner und Christopher Schmidkonz. Beide schwangen fleißig die Kochlöffel. Jedoch nicht alleine - sie wurden von kochbegeisterten Schülern unterstützt. Ein Kennenlernen könnte übler sein als bei selbst gemachten süddeutschen Spezialitäten.
Kastner hat sich im Fichtelgebirge einen Namen gemacht - die "Arzberger Bergbräu" ist sein erstes Standbein. Im September 2024 steht die Eröffnung von "benkers" an - eine Schlemmstätte im Auenpark. Sein Koch-Konzept beschreibt Kastner als "natürlich, hauptsächlich regional und mit viel Liebe selbst gemacht". Die Begegnung mit den Schülern sieht er als Chance, ihnen sein Konzept näher zu bringen. „Unsere Verantwor-tung ist es, den Nachwuchs zu stärken und zu fördern.“ Eines stehe dabei im Vordergrund: „Wir suchen junge Menschen mit Begeisterung.“
Vielleicht sind die Mittelschüler von heute schon bald Kastners „Fachkräfte von morgen“. Einen neuen Mitarbeiter zu finden und einzustellen – das ist dem Küchenchef zufolge ein „stetiger Prozess, der Zeit braucht“. Der beginne mit einem Schnuppertag, darauf folge eine zeitweise Mitarbeit und schließlich eine Ausbildung als Restaurantfachangestellter oder Koch – wenn es passt.
Auch die Berufsfachschule für Altenpflege, Altenpflegehilfe und Pflege Marktredwitz war mit praxisnahen Beispielen vor Ort. Dabei stand die Perspektive der Senioren im Mittelpunkt. Wie fühlt es sich an, wenn die Hände zittern? Wie viel sieht ein alter Mensch? Das konnten die Schüler mithilfe von Tremorhandschuhen und Brillen hautnah am eigenen Körper erleben. Auch Händedesinfektion war ein Thema: Eine Blaulichtlampe zeigte im Anschluss, wie erfolgreich diese war.
Die Mitarbeiter des Frey schleppten ganze Kleiderständer voller Klamotten zur Mittelschule, aus denen sich Schüler ihre Traum-Outfits zusammenstellen konnten. Außerdem erklärten ihnen die Mitarbeiter, wie Hemden und T-Shirts faltenfrei zusammengelegt werden.
Ein praxisnahes Programm gab es auch bei der Firma Scherdel. Zunächst motivierte der Ausbildungsleiter Stefan Stegner die Schülerinnen und Schüler mit einer Ansprache. Er erklärte, welche Möglichkeiten die Firma bereithält. „Es geht um euch“, animierte er seine Zuhörer. „Ihr solltet euch mit dem, was ihr herstellt, identifizieren können.“ Das konnten die Schüler danach direkt testen – beim Formen eines Sterns aus Draht.
Mit der Geschäftsführerin Susanne Lang war auch die Wirtschaftsregion Hochfranken vertreten. Mitgebracht hatte sie einen Film über regionale Ausbildungsmöglichkeiten. „Der Film ist schülernah gestaltet. Auch unsere Broschüre haben wir mit Praktikanten zusammen erarbeitet“, erklärte die Projektmanagerin Lena Gerlach.
Insgesamt standen die Tore der Mittelschule für 25 Unternehmen offen. Weitere auf der Liste waren unter anderem das Kurzentrum Weißenstadt, die Firmen Greiffenberger, Birke, Ceram Tec, Cube und Markgraf, die Polizeiinspektion Hof, die Firma Deichmann und die Bayerischen Staatsforsten.
„Jobspot“ ist nicht die einzige Berufsmaßnahme der Mittelschule. Ende der siebten Klasse entscheiden sich die Schüler für einen Zweig: Wirtschaft, Technik oder Er-nährung/Soziales. Das Projekt „Ausbilder machen Schule“ (AMS) führt Achtklässler dann praxisnah an das Berufsleben heran. Wuttke beschreibt das Projekt als eine „Win-Win-Situation“ – für Schüler und Unternehmen. An fünf Praxis-Donnerstagen besuchen die Achtklässler heimische Partnerbetriebe. „Sie werden den ganzen Tag angeleitet und sehen so, wie das Unternehmen funktioniert“, erklärte Wuttke. Daran beteiligen sich Firmen wie Scherdel, Greiffenberger, Seniorenhäuser oder das Klinikum Marktredwitz. AMS schlage zwei Fliegen mit einer Klappe: Schülerinnen und Schüler bekommen einen Einblick in die Berufswelt, und Firmen nehmen die Achtklässler unter die Lupe – genauer: ihre Motivation, ihr Leistungsvermögen und ihre Eignung. Auch Berufspraktika stehen auf der Agenda. Für die Achtklässler finden diese im Januar statt.
Auf die Schüler, die den Technikzweig wählen, wartete beim „JobSpot“ eine Überraschung. Die AGI Hochfranken plus überreichte der Mittelschule einen Scheck für 2000 Euro – für Sicherheitsschuhe, die die Achtklässler im Praktikum benötigen. Thomas Regnet, Vorstand der AGI Hochfranken, schwärmte: „Von den drei Patenschulen der AGI ist die Mittelschule Marktredwitz die aktivste.“
Nicht nur Schüler müssen bei den Unternehmen einen guten Eindruck hinterlassen. Auch andersherum. Nicht zuletzt wegen des Fachkräftemangels. „Letztes Jahr haben etwa 60 Schüler den Quali gemacht“, erklärte Wuttke. Davon seien nun etwa 25 in der Vor-bereitungsphase für die mittlere Reife. „Viele nutzen dieses Angebot“, sagte der Schulleiter. Diese Zahl sei in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Mit Konsequenzen für die Firmen: „Jedes Jahr müssen sie eins draufsetzen“, sagte Wuttke. Im Dunkel des Fachkräftemangels seien die Schüler ein Hoffnungsschimmer für heimische Unternehmen.
Bilder und Text: Wilhelmine Glaßer/Frankenpost vom 08.12.2023